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Ville Ranta : Kajaani - Der Verbannte der Kalevala

Buchbesprechung von Frank Rehag, Dezember 2022

dt. Erstausgabe: 2022 - Verlag Reprodukt, Berlin
finn. Originalausgabe: 2008 - Asema, Helsinki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Kajaani"
aus dem Finnischen von Elina Kritzokat
Handlettering von Céline Merrien und Olav Korth
Etwas Historisches vorweg: Finnland gehörte lange Zeit zu Schweden, die Oberschicht schrieb und las Schwedisch. Daran änderte sich auch nichts, als Finnland im Jahr 1809 als weitgehend autonomes Großfürstentum Teil des Russischen Reiches unter Zar Alexander I. wurde. Schwedisch blieb Amtssprache und Sprache der gebildeten Oberschicht. Der Osten Finnlands war im 19. Jahrhundert sehr unterentwickelt und Finnisch war die Sprache der einfachen Bevölkerung, Finnland war auf der Suche nach einer eigenen Identität. Elias Lönnrot (1802-1884) lebte in dieser Zeit. Der in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsene Lönnrot studierte Literatur, Geschichte und Medizin und wurde 1833 Kreisarzt in Kajaani, wo er der einzige Arzt für ein sehr großes Gebiet war. Dort lebte und wirkte er zwanzig Jahre lang und nahm eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung einer finnischen Identität ein. Neben seinen ärztlichen Verpflichtungen war er der erste, der Geschichten und Lieder aus der finnischen Bevölkerung sammelte und aufschrieb. Mit diesen Sammlungen sollte er den Grundstein für die finnische Literatur legen, als er das finnische Nationalepos Kalevala schuf. Eine erste Fassung erschien 1835, die endgültige 1849. Auch verfasste er die Liedersammlung Kanteletar und das erste finnisch-schwedische Wörterbuch. Aufgrund seines Wirkens gilt Lönnrot nach Mikael Agricola als zweiter Vater der finnischen Schriftsprache.
Der Comiczeichner Ville Ranta widmet sich in seiner Graphic Novel Kajaani – Der Verbannte der Kalevala dem Leben Elias Lönnrots während dessen Zeit in Kajaani. Ranta zeichnet ihn als rastlosen Einzelgänger und modernen Menschen, der es allen recht machen will und innerlich zerrissen ist, der viel bewegen und Fortschritt erzwingen will, dabei aber regelmäßig an alten Denkmustern scheitert. Neben seinen Pflichten als Arzt unterstützt er seine gebrechlichen Eltern auf dem Hof in Polvila und versucht, seinen Bruder, einen Hallodri, zum Unterhalt des Hofes zu bewegen. Auch die Beziehung zu einer verheirateten Frau zehrt an seinen Nerven und er wird mehr und mehr zum Getriebenen. Nur auf seinen Reisen durch den russischen Teil Kareliens findet er Entspannung und Ruhe. Nach einem tragischen Unglück verlässt Lönnrot schließlich Kajaani... Die Darstellung Ville Rantas darf nicht biografisch verstanden werden, dafür gibt es zu wenige genaue historische Überlieferungen. Lönnrot soll als alter Mann seine Tagebücher vernichtet haben, um keine peinlichen Informationen seine Person betreffend zu hinterlassen, sein Ruf als Nationalheld sollte unangetastet bleiben. Dennoch munkelt man auch heutzutage noch über seine Liebschaften und sein Leben, zumindest in Nordfinnland. Diese Graphic Novel ist vielmehr ein literarisches Denkmal für einen Nationalhelden, mal tragisch, mal komisch. Dabei wird es nach Rantas Art auch frech und provokant, aber niemals respektlos. Die von ihm dargestellten Liebesaffären und Saufgelage sind frei erfunden – vielleicht auch ein bisschen wahr – und mit einem Augenzwinkern zu sehen. Die teils schroff gestalteten Illustrationen zeigen auch stilistisch die Zerrissenheit Lönnrots und passen perfekt zum textlichen Inhalt.
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