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Antti Tuuri : Strasse ins Paradies
(aus der 'Äitini suku'-Reihe)

Buchbesprechung von Frank Rehag, August 2020

dt. Erstausgabe: 2019 - Antium Verlag, Wangen (CH)
finn. Originalausgabe: 2011 - Otava, Helsinki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Ikitie"
aus dem Finnischen von Beat Hüppin
August 1930, es ist die Zeit der Kommunistenverfolgung. Männer der rechtsextremen Lapua-Bewegung entführen Jussi Ketola nachts von seinem Hof. Sie wollen ihn auf der "Straße ins Paradies" bis zur russischen Grenze bringen und ihn dort auf die russische Seite Kareliens abschieben. Dort könne er seine Liebe zur sozialistischen Idee ausleben, mit der er sich angefreundet hat. Nicht aber in Finnland, wo man Angst hat, die Freiheit wieder an Russland abtreten zu müssen. In mehreren Etappen wird Ketola mit teils brutaler Gewalt und unter Androhung des Todes bis zur Grenze nach Kivivaara gebracht. Hier entkommt er seinen Entführern, wird aber geschunden und entkräftet von sowjetischen Sicherheitskräften aufgeschnappt. Nach einer Unterbringung im Krankenhaus in der Stadt Petroskoi und einer halbwegs fortgeschrittenen Genesung fühlt er sich zwar gut aufgehoben, fällt aber in die Hände der Geheimpolizei GPU. Insbesondere Kallonen hat es auf ihn abgesehen, der ihn völlig haltlos der Spionage verdächtigt und nicht nach Finnland zurückkehren lässt. Ketola solle sich beweisen und helfen, die Karelische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik aufzubauen. Zusammen mit vielen anderen Finnen, die einst nach Amerika oder Kanada auswanderten, aufgrund der wirtschaftlichen Depression aber von dort in Scharen zurückkamen und freiwillig Stalin folgten, der das internationale Proletariat einlud, der Sowjetunion mit der Aussicht auf ein besseres Leben beizutreten. Der Arbeiter Ketola, der nach dem Bau von Wolkenkratzern in New York bereits vor längerer Zeit nach Finnland zurückgekehrt war, hilft auf einer Baustelle in Petroskoi aus. Letztlich wird er in Finnland offiziell für tot erklärt und in der Sowjetunion erhält er den Namen Jussi Kari. Er kommt in der Kolchose 'Hopea' unter und ohne Hoffnung auf eine Rückkehr nach Finnland gründet er mit Irina eine zweite Familie. Allerdings beginnt der Kampf jetzt erst richtig, denn die Erpressungen Kallonens hören nicht auf und die sich ständig ändernde Doktrinpolitik der Sowjetunion beschwört immer größere Gefahren bis hin zum Beginn des Großen Terrors im Herbst 1936. Das Arbeiterparadies wird zur Hölle...
Die Handlung dieses Romans erstreckt sich über den Zeitraum von 1930 bis 1938 und zeigt eine hierzulande eher unbekannte Periode der Geschichte Kareliens. Wie man es von Antti Tuuri kennt, hat er sich im Vorfeld äußerst sorgfältig vorbereitet und sich intensiv mit den Ereignissen dieser Zeit beschäftigt. Diese beschreibt er mit einer unglaublichen Genauigkeit und Glaubhaftigkeit, dass es sich bei diesem Roman auch um ein Sachbuch handeln könnte. Die Erlebnisse des hier fiktiven Jussi Ketola sind anderen Menschen tatsächlich zugestoßen und zeigen die Wahnwitzigkeit des ideologischen Krieges auf, der damals vorherrschte: in Finnland wird der Hauptprotagonist Ketola des Sozialismus verdächtigt und verfolgt, in der Sowjetunion wird dieselbe Person des Kapitalismus und der Spionage verdächtigt und verfolgt. Tuuris Erzählstil ist knapp, präzise und sehr nüchtern - aber auch mit einem auf den ersten Blick nicht immer gleich erkennbaren Humor versehen. Seine nüchterne Sprache kommt auch in der Übersetzung von Beat Hüppin sehr gut gelungen rüber. Dieser scheinbar emotionslose und nüchterne Stil warnt den Leser nicht vor Schreckensszenarien, wenn zum Beispiel über die Situation bei einer Massenexekution erzählt wird. Tuuri beschreibt einfach, was er sieht. Strasse ins Paradies ist nichts für schwache Nerven und ein wichtiges Stück Literatur über die Situation der Amerika- und Kanadafinnen im sowjetischen Teil Kareliens in den 1930er Jahren. Ein großes Lob an den Verlag, der diesen Roman für sich entdeckt und dem deutschsprachigen Lesepublikum übersetzt hat - zumal es leider nicht sehr viele ins Deutsche übersetzte Werke von Antti Tuuri gibt. Absolut empfehlenswert!
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Frank Rehag / Birgit Arnold
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